Oder ganz klassisch nach Venedig?
So schnell konnten wir uns nicht einigen, jeder mit seinem Ziel vor Augen. Schließlich kam uns die Idee einen Schekel zu werfen, um die israelische Münze darüber entscheiden zu lassen, wohin die Reise gehen sollte.
Lilie oder Zahl?
Immerhin waren Israel und ein Kibbuz damals Land und Ort unseres Kennenlernens.
Im Kibbuz pflückten wir Oliven, Pampelmusen, arbeiteten auf der Bananenplantage. Einmal saß ich auch in der Fabrik vor einer der großen Maschinen und entfernte Plastikreste von den kleinen gelben Flaschen, die ich später, mit Zitronensaft gefüllt, bei uns in den Regalen einer großen Lebensmittelkette wiedersah.
Wieso also die Entscheidung nach dem Ziel für die Hochzeitsreise nicht durch Werfen das Schekels herbeiführen?
Die Münze zwischen Daumen und Zeigefinger festgehalten und mit Schwung über die Schulter geworfen, die sollte die Frage beantworten. Der Schekel fiel auf den Boden und rollte geschwind unter den großen, schweren Schrank, der unverrückbar an der Wand stand. Dort blieb er, verschwunden, unauffindbar im Dunkel.
Ein neues Ziel musste her.
Warum nicht etwas ganz anders?
Paris, Venedig, da traf man auf Schritt und Tritt ja doch nur Hochzeitspaare an. Bali, Karibik, Thailand, dort fuhren wir sowieso hin, die Länder kannten wir gut.
In Ostpreußen, da wo mein Großvater 1878 in Seesken geboren war, dort wo meine Urgroßeltern zu Hause gewesen waren, sie, die ich alle nie kennengelernt hatte, das war Masuren. Auf den Spuren meines fünfzig-fünfzig Großvaters, wie ich ihm heimlich nannte, dem unbekannten Teil meiner Familie, das schien mir das passende Ziel für die bevorstehende Hochzeitsreise zu sein.
Großvater Karl, meine Urgroßeltern Johann und Charlotta, wer waren sie? Ein Fischer soll der Urgroßvater gewesen sein, ein Fischer mit einem eigenen Boot.
Mein Vater, Jahrgang 1900, geboren im damaligen Herzogtum Mecklenburg, der sie alle für tot erklärt hatte, trug zu seinen Lebzeiten nicht viel zur Klärung dieser Familienereignisse bei.
Eine Hochzeitsreise nach Masuren sollte es werden, da waren wir uns überraschend schnell einig. Eine Reise auf den wenigen gesicherten Spuren von Großvater Karl aus Seesken. Der Honigmond würden uns silbern leuchten und die Vergangenheit sich mit der Gegenwart vereinen.
Wir buchten einen Flug nach Danzig, ein Hotelzimmer für zwei Tage und eine Mietwagen für die Fahrt bis an die russische Grenze und zurück nach Danzig.
Marina Gdańsk (der Hafen von Danzig) Foto: eki |
Eine Hochzeitsreise im Regen?
Niemals! Eine neu aufgebaute Stadt im Sonnenlicht wollte ich erleben. Was hier leuchtete waren die farbenfrohen Regenschirme der Touristen. Unser erster Tag endete bei Pierogi und Wein unter kunstvoll präparierten Wildschweinköpfen. Wir schauten auf die Regentropfen, die unaufhörlich vom Vordach auf die nassen Tische und Bänke draußen auf der Veranda fielen.
Am nächsten Tag brachen wir auf, Richtung Osten und der Wind fegte die letzten Wolken aus dem Blau des Himmels.
Mazury (Masuren) Foto.eki |
Bocian biały na Mazury (Weißstörche in Masuren) Foto: eki |
Bocian biały (Weißstorch) Foto:eki |
Auf dem Weg nach Węgorzewo (Angerburg) Foto.eki |
Am Abend wurde es schwierig ein Hotel zu finden. Eine Hotelroute gab es nicht, polnisch sprechen wir beide nicht. Schließlich, ein etwas schief hängendes Schild "Receptia". Es brauchte eine ganze Weile und die hartnäckigen Bemühungen eines hilfreichen Hotelgastes, bis wir hier ein Zimmer bekamen. Ein sozialistischer Honigmond leuchtete über einem Zimmer mit zwei Etagenbetten und einer kleinen Ablagefläche für die Koffer. Das konnte ja lustig werden. Die kleine Marina entschädigte uns für die spartanische Unterkunft. Auf gemütlichen Holzbänken unter einem schützenden Vordach genossen wir den Blick über den Yachthafen. Ein herrlicher Blick über Segelboote, die schon fest vertäut hier lagen und über die der Nachzügler, die nach und nach im Hafen anlegten. Da war das Geräusch der Taue, wenn sie gegen den Rumpf der Schiffe schlugen, der hell metallische klingende Schlag, der von den Seilen der Fahnenmasten am Ufer bis zu uns herüber klang. Wir hielten uns fest an den Händen, als die Sonne rotgolden hinter einem dunklen Streifen am Horizont im See versank.
Marina Węgorzewo (Yachthafen von Angerburg) Foto:eki |
Wir fuhren unter den Blätterdächern der alten Alleen entlang. Im Abendlicht erstrahlten sie wie verzaubert, als hielten sie das Licht der Sonne in ihrem Grün noch ein wenig fest, bevor die Nacht kam.
Mazury (Alte Allee in Masuren) Foto: eki |
Krajobraz na Mazury (Landschaft in Masuren) Foto: eki |
Wieża Ciśnień w Gołdapi (der Wasserturm von Goldap) Foto: eki |
Przejście graniczne w Gołdapi w Polsce (EU-Außengrenze; Grenzübergang bei Goldap in Polen) Foto: eki |
Szeszki (Seesken) Foto: eki |
Was würden wir finden, von dem einstigen Friedhof?
Was an die Urgroßeltern, verstorben vor 1900, noch erinnern?
Eine alte Landkarte, angefertigt vor 1930, sollte uns leiten. Der Seesker Berg, ein Skigebiet, war leicht zu erkennen.
Szeska Gora (Hinweisschild zum Seesker Berg) Foto: eki |
Cmentarz Szeszki (Reste des Friedhofs von Seesken) Foto: eki |
Lagen hier seine Eltern begraben?
Die Kirche lies sich nicht mehr finden. Ihre Trümmer lagen oben am Wald, begraben unter Bäumen, die seit fast siebzig Jahren hier wuchsen.
Hier also hatten sie gelebt, der Großvater, seine Eltern, die Vorfahren meiner Familie. Als Tagelöhner auf den Höfen hatten sie gearbeitet.
Einen See, Fischer, das alles konnten wir nicht finden. Vielleicht war das nur eine Geschichte unter vielen.
Na Mazury (in Masuren) Foto: eki |
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