Montag, 29. August 2016

29. August 2016 - Der Blick der Astronauten

Von oben auf die Erde schauen möchten viele von uns. Im Europäischen Astronauten Zentrum (EAC) im DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) am Standort Köln, ist das möglich. Ich habe es selbst gesehen.

Europäisches Astronauten Zentrum im DLR am Standort Köln
Foto. eki 
Auf einem Monitor, einem kleinen "Tor aus dem Weltraum" wird in "real time" der Blick von Astronauten und Kosmonauten wiedergegeben.
Man sieht die Erde von oben, so wie es die Besatzung der ISS vor wenigen Augenblicken (so lange wie das Signal bis zur Erde benötigte = vor 1 Sekunde) gesehen hat. Die Camera schaut nach unten aus einem der Fenster der Internationalen Raumstation ISS, verfolgt deren Weg über die Erde. Wir stehen fest mit beiden Beinen auf der Erde, dem Boden der Halle und schauen nach oben auf den Monitor und sehen ihre aktuelle Position. Da ist sie gerade.

Model der ISS
Foto: eki

Link:
Aktuelle Position der ISS

Die Chinesen nennen ihre "Männer im All" Taikonauten.

Das Europäische Astronautenzentrum (EAC) trainiert Astronauten für künftige Missionen im Weltall. Es schult Astronauten und Bodenpersonal für sämtliche europäische Komponenten der Internationalen Raumstation, z. Bsp. für das Columbus-Labor der ESA (European Space Agency).

Columbia - das europäische Raumfahrt-Labor
Foto: eki
Die ESA ist eine Internationale Weltraumorganisation mit Sitz in Paris.

Foto: eki
Links:
esa Deutschland
DLR

Was macht denn ein Astronaut so den lieben langen "All"-Tag?

Tagesplan im All für Kosmonauten und Astronauten
Foto: eki
Wenn der Astronaut Hunger hat - was dann?
Kein Supermarkt in Sicht!
Bevor die Astronauten ins All starten, suchen sie sich ihre Essen aus. Es gibt 3 Menüs pro Tag. Die Speisekarte der ISS bietet heute über 100 Auswahlmöglichkeiten. Dort oben im Weltall müssen sie täglich mindestens 2000 Kalorien zu sich nehmen. Hier auf der Erde tüfteln Köche, wie der Spitzenkoch Harald Wohlfarth, an neuen Rezepten für die Weltraumküche. Er hat auch für Alexander Gerst gekocht, der sich Käse-Spätzle wünschte.

Quelle
duda.news/wissen/essen-astronauten

Link:
Essen und Trinken auf der ISS


Kosmonautenessen auf der ISS
Foto. eki
Wir gehen weiter. Am Ende des Raumes, hinter einer Glaswand befindet sich das Tauchbecken von 17 x 22 Metern zum üben eines "Weltraumspaziergangs" . Unter Wasser kann er in 10 Meter Tiefe unter schwerelosigkeitsähnlichen Bedingungen simuliert werden. Der Taucheranzug als Raumanzug. Die dicken Handschuhe zum arbeiten wie im All.

Dann geht es für uns in den nächsten Raum der ESA, dorthin wo das Columbus space laboratory training facility nicht nur anzuschauen ist. Auf einem Fußboden der 1000 kg/qm zu tragen hat, sind sie aufgebaut, die einzelnen Trainingseinheiten für Astronauten.

Columbus space laboratory training facility
Foto. eki
Jetzt heißt es auch für uns: "Bitte einsteigen!"
Ganz schön eng hier drin.
Und wo ist eigentlich oben?
Wenn man sich in der Schwerelosigkeit befindet, weiß man das nicht, man schwebt ja. Als "Anhaltspunkt" dient ein blauer Streifen am Boden, also da, wo sich auf der Erde der Boden befinden würde. Das hilft, die Orientierung im Raum zu behalten.
Ich bin beeindruckt, hier ein halbes Jahr oder länger leben und arbeiten?

Ganz schön eng hier. Columbus-Modul für Astronautentraining
Foto: eki
Die Schlafkoje ist der kleinste Raum. Eine schmale, hohe Kammer, ein dunkelblauer Schlafsack, an der Wand befestigt. Daneben ebenfalls an der Wand fest "vertäut" ein Handtuch, ein Spiegel, eine faltbare Stofftasche, ein Foto. Das ist also die Privatsphäre an Bord der ISS.
So klein?
Wenn ich Filme im Fernsehen anschaue über Leben und Arbeiten auf der Raumstation, dann sieht alles immer so leicht aus, so schwerelos und heiter. Die Wirklichkeit, die mir hier näher rückt, lässt ein anders Bild erahnen. Menschen, die sich diesen Beruf erwählen, müssen wohl Helden sein.

Juri Alexejewitsch Gagarin, der Kosmonaut, der als erster Mensch im All war; 1961.
Büste vor dem Eingang zum EAC
Foto: eki
Unsere nächste Station auf dem Gelände des DLR ist das ":envihab", das DLR-Institut für Luft- und Raumfahrt Medizin.
Hier findet sie statt, die Forschung der Zukunft für Weltraum und Erde.
Auf 3500 Quadratmetern können in den Räumen des Instituts die Wirkungen extremer Umweltbedingungen auf den Menschen und ihre möglichen Gegenmaßnahmen erforscht werden.

:envihab - environment = Umwelt und "habitat" = Lebensraum

:envihab am DLR, Standort Köln
Foto: eki
Gebaut wurde das Haus von dem Berliner Architekturbüro Glass, Kramer, Löbbert und Uta Graff. Sie gewannen den 2010 europaweit ausgeschriebenen Wettbewerb.
Eröffnet wurde das :envihab am 5. Juli 2013.

Eröffnung :envihab am 5. Juli 2013
Foto: eki
Eine Kurzarmzentrifuge wird uns vorgestellt. Eine Art Karussell nur viel, viel schneller. Sie bietet Wissenschaftlern die Möglichkeit die Reaktion des Körpers auf künstlich erzeugte Schwerkraft noch besser zu untersuchen, um geeignetere Gegenmaßnahmen zu erforschen. Dabei gilt das Interesse besonders Gegenmaßnahmen zu gesundheitlichen Risiken, die unter Schwerelosigkeit auftreten.
Was passiert mit dem menschlichen Körper auf einem Flug zum Mars?

Im :envihab ist ein Schlaf- und Physiologielabor für Langzeitstudien untergebracht.
Was reagiert der Körper eines Menschen, der längere Zeit das Bett hüten muss? Eine der möglichen Fragestellungen.

Wie wirkt sich die Beleuchtung auf unsere Stimmung aus?
Um Antworten auf diese Frage zu bekommen gibt es ein Psychologielabor.

Auch ein Biologielabor für die mikrobiologische Forschung, ist hier vorhanden, um nur einige Forschungsmöglichkeiten zu nennen.

Link:
:envihab

Zum Abschluss unsere Nachmittages auf dem Gelände des DLR steuern wir die Kantine an. Ein letztes Highlight gibt es zu bewundern: eine Sojus Kapsel.

Original einer Sojus Kapsel
Foto: eki
Dieses bemannte russische Raumschiff bietet Platz für bis zu 3 Personen. Sojus Raumschiffe sind von 1966 bis heute im Einsatz und gelten als eines der sichersten Transportsysteme.

Quelle
wikipedia

Alexander Gest, Reid Wisemann und Maxim Surajew starteten an Bord eines Raumschiffes der Reihe Sojus TMA-13M zu ihrer Mission zur ISS und wieder zurück zur Erde.

Link:
Einmal Raumstation und zurück


Mittwoch, 24. August 2016

24. August 2016 - Die Goldklopfer von Mandalay

Mandalay - die einstige Königsstadt am Irawadi Fluss - hat sich heute zu einer modernen Großstadt gewandelt. Sie ist die zweitgrößte Stadt Myanmars.
1857 beschloss König Mindon das Dorf Yadanabon zu seiner Hauptstadt Mandalay zu machen. Hier herrschte er bis zu seinem Tode im Jahr 1878. Die Stadt war damals nicht nur die weltliche Hauptstadt Burmas, sondern auch ein religiöses Zentrum.
König Thibaw, der letzte König von Burma, wurde König Mindons Nachfolger. 1885 vertrieben ihn die Briten und König Thibaw floh ins indische Exil.
Die Briten übernahmen die Herrschaft über das einstige Königreich Burma. Sie rissen alle historischen Gebäude, mit Ausnahme des Zentrums des königlichen Palastes, nieder.

Im 2. Weltkrieg wurden mehr als 85% von Mandalay zerstört. Ende der 1990 Jahre wurden die Tempel und Paläste auf Anweisung der Militärregierung im alten Stil neu gebaut.

In den Klöster von Mandalay und Umgebung leben heute noch viele tausend Mönche. Sie geben vielen Waisenkindern ein neues Zuhause, unterrichten in Kloster eigenen Schulen und führen ein Leben in Armut. Nur was die Gläubigen ihnen täglich spenden, haben sie zur Verfügung.

Das Handwerk der Goldklopfer hat in Mandalay eine sehr lange Tradition. Seit Jahrhunderten schon wird diese Arbeit in Mandalay und nur in Mandalay ausgeführt. Es ist ein Knochenjob, hoch angesehen und gut bezahlt.

Die meisten Werkstätten der Goldklopfer befinden sich in der 36. Straße, zwischen der 78. und 77. Straße und in der 78. Straße zwischen der 35. und 36. Straße. Kommt der Besucher in der richtigen Straße an, hört er schon von weitem die rhythmischen Schlaggeräusche der Handwerker.
Hier gibt es sie, die Blattgoldmanufakturen, in denen man alles über die Herstellung dieser dünnsten aller Goldfolien sehen und erfahren kann.

Link:
GEOaudio Magazin

"Real gold" aus dem eigenen Land ist es, das durch schlagen mit einem 3 kg schweren Hammer in das kleine Viereck verwandelt wird, das die Gläubigen in Tempeln und Pagoden auf die Statuen auflegen.
Dazu werden kleine Goldkugeln, zwischen mehreren Lagen Bambuspapier gelegt und zum Schluss noch in zwei Lederlappen eingebunden so lange geschlagen, bis sie zu einer hauchdünnen Folie geworden sind. Die Herstellung hat sich über die Jahrhunderte kaum verändert.
Aus einem Gramm Gold sind dann zum Schluss 200 kleine, nur ein tausendstel Millimeter dünne, quadratische Goldfolien geworden.

Goldpäckchen in Lederlappen eingebunden
Foto: eki
Durch das Schlagen erhitzt sich das Gold und wenn das Päckchen die richtige Temperatur hat, ist die Goldfolie hauchfein geworden ist. Die Männer, die diese Arbeit tun stehen barfuß hinter einer schrägen Ebene auf der das lederne Päckchen mit dem Gold eingespannt ist. Konzentriert schlagen sie im immer gleichen Rhythmus darauf ein.

Goldklopfer in Mandalay
Foto: eki
Eine Schale mit Wasser steht vor dem Klopfer auf einem niederen Holztisch, eine Wasseruhr. Eine leere Kokosnußhälfte mit einem Loch im Boden schwimmt auf der Wasseroberfläche. Ist die Kokosnußhälfte voll Wasser gelaufen und untergegangen, wird das Päckchen mit dem Gold umgedreht, der Goldklopfer macht eine Pause. Das Schlagen übernimmt ein anderer und es beginnt von Neuem.

Die Wasseruhr der Goldklopfer von Mandalay
Foto. eki
Diese körperlich sehr anstrengende, schweißtreibende Arbeit ist bei den Männern sehr gut angesehen. Durch das stundenlange Hämmern verbessert man sein Karma. All die unzähligen Goldplättchen, die in den Tempeln Myanmars den Buddhas gespendet werden, stammen ausschließlich aus diesem Viertel in Mandalay.

Neben der Werkstatt befindet sich meistens ein Verkaufs-Shop. Hier werden neben den Goldplättchen auch allerlei vergoldete Gegenstände, wie z. Bsp. mit Gold verzierte Lackarbeiten, angeboten.

Foto: eki
Dahinter, durch eine gut verschlossene Tür vom Verkaufsraum getrennt, verpacken Frauen, in einem verglasten Raum sitzend, die Goldfolien zum Verkauf. Sie schneiden die Folie zu und legen sie zwischen zwei kleine Stückchen aus Bambuspapier. Während der Arbeit sitzen sie in einem separaten Raum, der besonders vor Luftzug und Staub geschützt ist.

Foto:eki
Die fertig zugeschnittene zarte Folie misst zwischen 1,5 cm und 4,0 cm im Quadrat.
Das Blattgold wird an der Stelle auf einer Buddha-Statue angebracht, an der der Gläubige Schmerzen hat und um Heilung bittet.

Anbringen des Blattgoldes an eine der fünf Buddha-Statue in der Phaung Daw U Pagode auf dem Inle-See
Foto: eki
Die Buddha-Statue in der Mahamuni- Pagode in Mandalay ist eine der meist verehrten in ganz Myanmar. Sie zählt zu den Hauptpilgerzielen im Land. Nur Männern ist es gestattet, sich der Statue wirklich zu nähern und Blattgold auf ihr anzubringen, Frauen müssen im äußeren Bereich zurück bleiben. Für sie wird das Geschehen an der berühmten Buddha-Statue des "Erhabenen Weisen" mittels eines Monitor übertragen.

Der Mahamuni-Buddha in Mandalay
Foto: eki
Im Jahr 1884 brannte der Tempel ab, das Gold schmolz. Knapp 90 kg geschmolzenen Goldes, das damals an der Statue haftete, konnten gerettet werden. In der Zwischenzeit kleben wieder Tonnen von Gold an der Statue, deren Haupt mit Diamanten, Rubinen und Saphiren geschmückt ist. Die Buddha-Statue ist 3 m hoch. Im Laufe der Jahrzehnte ist sie jetzt durch das erneute anbringen der Blattgoldfolien bis zu 35 cm dicker geworden.

Dienstag, 23. August 2016

23. August 2016 - Eine Büdnerei in Pinnow, im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin

Wir schreiben das Jahr 1845, genauer gesagt den 1. März. Wir befinden uns in dem kleinen Dorf Pampow nahe Schwerin. Pampow ist der Geburtsort meines Urgoßvaters Christian Johann Joachim Friedrich Bollow. Er war wohl das 5. von neuen Kindern.

Im Jahr 1867 lebte er noch in Pampow, im Haushalt seines sieben Jahre älteren Bruders, zusammen mit seiner Mutter, vier seiner Geschwister und seiner Nichte Maria. Sein Beruf war der eines Knechtes und Tagelöhners. Da sein Bruder Johann, der zweitälteste der Geschwister und erst geborener Sohn, in der Volkszählung von 1867 als "Hauswirth im Gehöft Nr. 2" in Pampow eingetragen wurde, ist davon auszugehen, dass mein Urgroßvater zu der Zeit auf dem Gehöft seines Bruders mitarbeitete. Er, der Bruder, war der Erbe eines kleinen Hofes, den ihm sein Vater Hans nach seinem Tod hinterlassen hatte.

Am 4. November 1870 heiratete er meine Urgroßmutter Sophie Maria Dorothea Joost, eine junge Frau aus Sülstorf. Die Trauung fand in der evang.-luth. Kirchengemeinde zu Pampow statt.

Die Geburt meiner Großmutter Elise Sophie Maria fiel auf den 18. Oktober 1882 in Pampow. Meine Großmutter hatte noch sieben Schwestern.
Später zog die Familie nach Pinnow, um dort eine eigene Büdnerei, die Büdnerei Nr 1, zu bewirtschaften.

Alte Büdnerei Nr.1 in Pinnow 1932
Ein Büdner war in Norddeutschland, vor allem in Mecklenburg, Pommern und Brandenburg, ein Besitzer des kleinen ländlichen Anwesens, einer Büdnerei. Dazu gehörten ein eigenes Haus, jedoch wenig Land. Das Wort ist von "Bude" abgeleitet.
Meistens wurden die Büdnereien als Fachwerkhaus erbaut, in dem die Zwischenräume mit einem Lehm-Stroh-Gemisch ausgefüllt wurden. Waren die Besitzer wohlhabend, wurden auch Backsteine verwendet und die Oberfläche verputzt. Das Dach war meistens ein landestypisches Reetdach.
Im Hauptgebäude wohnten Mensch und Tier bis weit ins 18. Jahrhundert. Erst später wurden für die Tiere separate Ställe gebaut. Meistens gab es neben dem Hauptgebäude noch einige Schuppen bzw. die Scheune, die zur Lagerung der Vorräte, des Brennholzes und der Gerätschaften dienten.

Quelle:
wikipedia

Zur Büdnerei meines Urgroßvaters gehörte eine kleine Landwirtschaft. Er besaß Bienen, Gänse, Hühner und ein eigenes Pferd.



Donnerstag, 18. August 2016

18. August 2016 - Volunteers in Israel - damals war's 1973

Es war der September 1973, als ich in eine Maschine der EL AL Fluggesellschaft einstieg; Frankfurt - Tel Aviv.
Dort wurden wir von Leuten aus dem Kibbuz Ashdot Ya'acov Ichud, unserem Ziel, abgeholt. Für mich war es die erste "große" Reise. Ein Flug über die Grenzen Europas hinaus, in einem Jumbo 747. Im innerdeutschen Flugverkehr war ich unterwegs gewesen, in den kleinen Fliegern, manchmal mit Propeller, die waren mir vertraut. Aber das hier, das war schon etwas anderes. Ein Flugzeug, das nicht in der Luft wackelte, das wie an einem Seil gezogen ruhig durch die Luft flog.

Angefangen hatte alles in einem kleinen Reisebüro in Berlin-Dahlem. Sie boten diese Reise in ihrem Programm an: Vier Wochen Aufenthalt in einem Kibbuz in Israel. Wir, die Volunteers, arbeiteten in allen Bereichen mit, in denen Hilfskräfte gebraucht wurden. Dafür konnten wir im Kibbuz frei wohnen, essen und ein Taschengeld gab's obendrauf.

Links:
Ashdot Ya'acov Ichud-hebräische Seite
wikipedia

In Ashdot Ya'acov Ichud unweit der jordanisch- syrischen Grenze angekommen, wurden wir von Chaim Jacobsen, einem Kibbuzmitglied der ersten Stunde, begrüßt. Er war unser Ansprechpartner während unseres Aufenthalts. Da standen wir nun, die jungen Deutschen, eine zusammengewürfelte Gruppe Unbekannter aus allen Bundesländern. Wir, die mit Neugier und Scheu, mit dem Wissen um die Deutsche Vergangenheit im Gepäck, etwas zur Annäherung zweier Völker beitragen wollten. Im Vordergrund stand für uns erst einmal die Begegnung mit den Kibbuzniks, mit den Sabras und mit uns, die wir uns ja noch gar nicht kannten und erst noch zu einer Gruppe werden sollten.

Ich teilte mein Zimmer mit zwei Frauen, deren Namen ich vergessen habe, aber ihre Gesichter sehe ich noch vor mir. Für die beiden war der Aufenthalt schnell zu Ende, die Trennung von zu Haus, vor allem die von ihren Freunden, machte ihnen den Aufenthalt schwer. Zwei Gleichgesinnte waren sie, das wurde ihnen und mir schnell klar. Endlose Gespräche, die immer wieder ein tränenreiches Ende fanden, bestimmten die Abende im Zimmer. Der Schmerz und ihre Tränen, die weder die Zeit im Kibbuz noch ich trockenen konnten, lies die beiden vorzeitig abreisen.

Der Arbeitsplan war für alle jederzeit im Speisesaal einzusehen.

Speisesaal im Kibbuz Ashdot Ya'acov Ichud
Foto: eki

Mein Tag begann früh, in Ashdot. Um 5 Uhr klingelte der Wecker, oder es klopfte an die Tür, die Nachbarinnen waren schon wach. Jedes Haus hatte unten Toiletten und Duschen. Danach hieß es, schnell in die Kleider, lange Hose, langärmelige Bluse und mein Kopftuch, um mich vor der Sonne und den Stacheln am Pampelmusenbaum zu schützen, waren meine Arbeitskleidung. Draußen wartete schon ein Traktor mit Anhänger, auf dessen Ladefläche wir kletterten. Es war kalt da oben auf dem Hänger, so früh am Morgen, auch wenn die Sonne gerade aufgegangen war. Wir hockten uns dicht zusammen. Gut festhalten hieß es, der Weg zum Feld war holprig. Dann bekam ich "meinen Baum" zugeteilt, eine Eimer und ein Maß, einen Ring aus dickem Draht an einer Schnur, die ich mir ums Handgelenk wickelte. Passte die Pampelmuse durch den Ring blieb sie am Baum, sollte noch ein bisschen wachsen. Nur die großen wurden gepflückt, im knall orangefarbenen Eimer gesammelt. Eine Leiter stand für mich bereit, ich kletterte in den Baum und streckte die Hand nach der ersten reifen Frucht aus.

Pampelmusen pflücken

Nach einer Stunde gab es heißen, stark gesüßten Tee aus Thermoskannen und Butterkekse, die wir heißhungrig verschlangen. Bis zum Frühstück, ein Picknick im Freien, war es noch Zeit.

Den Eimer voll reifer Früchte nahm mir der junge Mann, die uns täglich auf's Feld begleiteten, ab. Er hatte vom ersten Tag an die Herzen aller Mädels erobert. Sein verschmitztes Lachen, das amüsierte Blitzen in seinen Augen, hatte es uns allen angetan. Er muss Anfang zwanzig gewesen sein, damals. Ein freundlicher, stets gut gelaunter Mann mit den schönsten schwarzen Locken der Welt. Wir lernten unser erstes hebräisches Wort für: "Eimer voll".
Dann kam er, tauschte den vollen gegen einen leeren Eimer aus und stapelte die Pampelmusen in Kisten, fertig zum weiteren Transport.

Der Krieg zu der Zeit des höchsten jüdischen Feiertages, der Jom Kippur Krieg vom 6. Oktober 1973, begann sieben Tage, nachdem wir Israel und den Kibbuz wieder verlassen hatten.

Link:
Artikel bei Zeit Online

Ich habe den Kibbuz später noch öfter besucht, einmal noch dort gearbeitet. Chaim Jacobsen unser Betreuen und Rachel Beck, die Kibbuzsekretärin waren da wieder meine Ansprechpartner.

Link:
Interview mit Rachel Beck

Der junger Mann, unser Begleiter auf der Pampelmusenplantage lebte noch im Kibbuz. Gezeichnet vom Krieg. Er, der als Soldat für sein Land gekämpft hatte, erholte sie nie wieder von seiner schweren Kopfverletzung. Ein schwerst Behinderter, kaum noch der Sprache mächtig, ohne jegliche Perspektive auf ein halbwegs normales Leben, so traf ich ihn wieder. Das Entsetzen über sein Schicksal ist bis heute in mir. Da habe ich das erste Mal wirklich begriffen, was Krieg bedeutet.

In den Wochen im Kibbuz wurden wir zu einer, wenn auch sehr heterogenen, Gruppe geworden. Wir feierten immer Samstag Abend im Bunker kleine Partys. Starteten nach dem täglichen gemeinsamen Mittagessen im Speisesaal, hier wo sich alle Erwachsenen des Kibbuz zum Essen trafen, zu Ausflügen in die Umgebung. Tiberias war ein beliebtes Ziel. Bis Jericho war es schon ein weiter Weg. Dafür musste man sich die Zeit gut einteilen, um bis zum Abend, bevor die Straße zur Nacht für den Verkehr gesperrt wurde, wieder zurück zu sein. Und einmal im toten Meer baden war eines der ganz besonderen Ereignisse.

Wir lebten im Kibbuz zusammen, teilten ein Stück des Alltags, lachten miteinander und feierten gemeinsam den Sabbat.
Abends waren wir oft zu Hause eingeladen, bei Chaim, bei Towa oder Rachel. Sie wohnten in kleinen Häusern mit schmalen Gärten davor. Mal ein Granatapfelbaum oder ein Rosenstrauch vor dem Fenster. Im Kibbuz stolzierten Pfauen über den Rasen oder sie flogen in die Schlafbäume. Manch einer von ihnen war ab und zu für ein paar Tage verschwunden, aufgebrochen über die Grenze nach Jordanien.
Eines frühen morgens wachte ich davon auf, das ich in meinem Bett hin und her geschüttelt wurde, während eine Glocke laut schrillte. So abrupt aus dem Schlaf geholt sprang ich auf und lief auf den Balkon hinaus. Es war nichts zu sehen, nichts zu hören. Hatte ich alles nur geträumt? Auch die anderen waren wach geworden. Ein Erdbeben war die Ursache. Es hatte die Schulglocke ertönen lassen und in der Bibliothek die Regale umgestürzt. Mehr Schaden entstand zum Glück nicht.

Wir pflückten Pampelmusen, halfen bei der Olivenernte, entfernten Plastikreste von den kleinen, gelben Flaschen, die wir später, zurück in Deutschland mit Zitronensaft gefüllt in den Regalen eines großen Lebensmittelhändlers, kaufen konnten.
Wir lernten einen Volkstanz und ein hebräisches Lied, das ich aber leider vergessen habe.
Die dort geschlossenen Freundschaften sind bis heute geblieben.

Wir gewöhnten uns an die Präsents von Soldaten, die immer und überall im Stadtbild zu sehen waren, auch im Kibbuz, wo sie immer Streifen gingen und an Autofahrer, die uns beim trampen mitnahmen und ihr Maschinengewehr neben dem Sitz verstauten. Wir gewöhnten uns an eine für uns fremde Welt. Hatten Chaims Ermahnung im Ohr, bei Alarm ruhig zu bleiben und den nächsten Bunker aufzusuchen, was wir nie machen mussten. Und nie, niemals werde ich irgendwo, auf welcher Straße oder welchem Platz auf der Welt auch immer, gegen einen Gegenstand und sei es nur eine vermeintlich leere Tüte treten.

Und dann war sie da, Jerusalem die Schöne. Zum Abschluss der Reise verbrachten wir ein paar Tage in der Stadt, erlagen ihrem Zauber.

Nächstes Jahr in Jerusalem!

Links:
Volunteers in Israel- heute
in englischer Sprache
Geschichte von Ashdot Ya'acov
Freiwilligendienst_Israel_DIG_JUFO.pdf