Manchmal ist mein Alltag das reinste Abenteuer.
Gestern hatte ich einen Termin, zu dem ich mit dem öffentlichen Nahverkehr unterwegs war. Das erste Mal auf diesem unbekannten Wege. Also zuerst einmal am Vortag beim RMV nachschauen: Wie komme ich da hin? Und zwar so, dass ich meinen Termin gut schaffe.
Die erste Überraschung: Termin und Fahrzeiten passen gar nicht zusammen!
Also gut, dann nehme ich die nächst mögliche Verbindung, sagte ich mir.
Als ich am Morgen aus dem Fenster schaute, schneite es gerade einen dünnen weißen Vorhang direkt vor meinen Augen.
Mein Termin war um 11:15 Uhr am gestrigen Vormittag. Mit der dazu passenden S-Bahn fuhr ich um 9:48 Uhr eine Station weit, um dann in den Bus umzusteigen. Aus der S-Bahn ausgestiegen ging es eine Treppe hoch, über eine Brücke, unter mir die Gleise. Dann eine Treppe wieder hinunter, den Gehweg entlang bis zur Bushaltestelle. Der Bus wartete bereits auf die Fahrgäste an seiner Endhaltestelle. Mit mir stiegen noch drei weitere Passagiere in den leeren Bus ein.
"Halten Sie in der Fondtstraße vor der Kirche?" fragte ich den Busfahrer.
Dort wollte ich aussteigen und ich wusste, dass es eine Haltestelle direkt vor der Kirche geben musste. Ob das die Haltestelle war, an der auch mein Bus hielt? Von dort hatte ich es nicht mehr weit.
"Das weiß ich doch nicht. Fondtstraße ist Endhaltestelle", war seine Antwort.
In welcher Strasse der Bus seine Endhaltestelle hatte, war mir klar, stand es doch deutlich lesbar draußen am Bus, aber war seine Endhaltestelle auch meine gewünschte Haltestelle? Die Fondtstraße ist lang, das hatte ich schon auf dem Stadtplan gesehen. Wo die für mich gewünschte Haltestelle in dieser Straße war, konnte ich dem Stadtplan allerdings nicht entnehmen. Ich hatte beim RMV nur Fondtstraße eingegeben in der Hoffnung, das es sich um die Haltestelle handelte, an der ich aussteigen wollte. Genaueres wusste ich nicht.
Ich setzte mich erst einmal auf einen Platz am Fenster und schaute auf das Schneetreiben nach draußen, holte meinen Schirm aus meiner Tasche und lehnte mich zurück. Der Bus fuhr los und ich dachte nach.
Vielleicht hing im Bus ja ein Streckenplan aus, dem ich mehr entnehmen konnte als den Worten des Fahrers? Ich schaute mich um, stand auf und betrachtete die schmalen Papiere, die in einem Plastikkasten am Fenster steckten. Schade, nur Reklame mit der ich nichts anfangen konnte.
Dann hieß es wohl sich in Geduld üben und abwarten wohin der Bus mich bringen würde. Schließlich fuhr er in die Fondtstraße. Er fuhr und fuhr und auf einmal kam die Kirche ins Blickfeld. Ich atmete auf.
Ja, da will ich aussteigen, dachte ich.
Und siehe da, es war die Endhaltestelle von der der Busfahrer gesprochen hatte und da war die Kirche, die ich gemeint hatte. Allerdings hielt der Bus nicht direkt vor der Kirche, sondern zwei Meter dahinter. Auch gut, dachte ich und stieg aus. Ich war da, wo ich hinwollte.
Unter meinem Schirm gut vor den dicht fallenden Schneeflocken geschützt machte ich mich auf zur gegenüberliegenden Haltestelle, um mal nachzusehen, wie häufig der Bus fuhr, damit ich nachher nicht so lange hier im Freien stehen und warten und frieren würde. Wie lange mein Termin dauerte, war für mich nicht abzusehen.
Dieser Bus kam zweimal in der Stunde hier vorbei, um die Mittagszeit allerdings nur ein mal pro Stunde.
Ich kramte Zettel und Stift aus meiner Tasche und begann, mir die relevanten Fahrzeiten zu notieren.
"Entschuldigung".
Ich schaute auf. Einer der Fahrgäste aus dem Bus stand hinter mir.
"Ich will nur mal schnell ein Foto machen. Ich fotografiere jetzt immer alles."
Er hielt sein Handy direkt vor den Fahrplan und es machte klick, alles abfotografiert.
"Mach ich jetzt immer", wiederholte er noch einmal, lächelte, drehte sich um und verschwand in der nächsten Seitenstraße.
Auch eine gute Idee, dachte ich bei mir und steckte meinen Zettel mit dem Abgeschriebenen zurück in die Tasche.
Es war jetzt 10:15 Uhr.
Der nächste Bus, den ich von zu Hause aus hierher hätte nehmen können, würde erst um 11:35 Uhr hier ankommen.
Ich machte mich auf den Weg. Ein Stück die Straße zurück, über den Fußgängerüberweg mit Ampelregelung zum nächsten Cafe.
An einem Cappuccino, vor mir auf dem kleinen Tischchen in der Ecke des Cafes, wärmte ich mir meine kalten Finger.
"Nicht viel los Heute. Es ist auch draußen Heute so ruhig", meinte die Bedienung.
Ein älterer Herr betrat den Verkaufsraum, um seine vorbestellten Brötchen abzuholen.
"Und noch ein Stück von dem Pflaumenstreusselkuchen hier", bestellte er.
"Das ist Kirschstreussel."
"Aha, dann Kirsch!"
Nun war meine Zeit gekommen. Ich stellte die leere Tasse auf den Tresen zurück und machte mich auf, meinen Termin wahrzunehmen.
Wieder zurück an der Bushaltestelle hatte ich mir meine Zeit so einteilen können, dass ich nur 10 Minuten wartete. Mit mir stieg noch ein Schüler ein, der dieselbe Strecke fuhr wie ich. Wir beide blieben ganz allein im Bus, bis wir gemeinsam ausstiegen.
Um 12:40 Uhr war ich wieder zu Hause und hatte mein Abenteuer bestanden.
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